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Stockwerkeigentümer müssen auf ihre Miteigentümer Rücksicht nehmen und dürfen nicht übermässig auf sie einwirken, zum Beispiel mit Lärm. Die Grenzen zwischen ab und zu laut und Lärm sind allerdings fliessend. Wie vermeiden Sie solche Konflikte und was können Sie tun, wenn Sie sich belästigt fühlen?
(rh) Das Zitat «Die Freiheit des Einzelnen endet, wo die Freiheit des Anderen beginnt» des Philosophen Immanuel Kant bringt das nachbarschaftliche Verhältnis im Stockwerkeigentum auf den Punkt. Kein Gesetz regelt beispielsweise Lärmbelästigungen. Das Zivilgesetzbuch definiert aber in den Artikeln 679 und 684 ff. Grundzüge für ein nachbarschaftliches Miteinander, die Nachbarschaftsstreitigkeiten vermeiden und Konflikte lösen sollen. Grundeigentümer sollen unter anderem ihr Wohneigentum so nutzen, dass daraus keine übermässigen Einwirkungen für ihre Nachbarn entstehen. Für ein friedliches Miteinander gilt darum der Grundsatz «Vermeiden Sie unnötigen Lärm und tolerieren Sie zulässigen Lärm».
Auch wenn in der Schweiz ein Gesetz gegen Lärmbelästigungen fehlt, gibt es doch Lärmbestimmungen. Am konkretesten regeln die Polizei- und Gemeindereglemente die Ruhezeiten und die Nachtruhe:
* Immer mehr Gemeinden verschieben den Beginn der Nachtruhe während der Sommerzeit am Freitagabend, am Samstagabend oder vor öffentlichen Feiertagen von 22 auf 23 Uhr.
Die Bestimmungen in den ZGB-Artikeln 679 sowie 684 ff. sind dispositiv. Das heisst, sie können durch andere Vereinbarungen aufgehoben werden, zum Beispiel eine Hausordnung oder ein Stockwerkeigentümerreglement. Ohne Lärmbestimmungen in diesen Dokumenten gelten die Ruhezeiten und die Nachtruhe im Gemeinde- oder Polizeireglement.
ZGB-Artikel 684 ff. verpflichtet Wohneigentümer zur nachbarlichen Rücksichtnahme. Unter anderem verbietet der Artikel übermässige Einwirkungen durch Lärm auf das Eigentum anderer. Was gilt als übermässig? Rechtlich gesehen alle Einwirkungen, die für Durchschnittsmenschen übermässig sind. Das ist kein messbarer Wert und hängt vom Ortsgebrauch ab. Gerichte haben darum einen grossen Ermessensspielraum und stützen sich auch darauf ab, wie die anderen Miteigentümer die Ruhestörung bewerten. Grundsätzlich gilt aber in 99 von 100 Fällen: Lachende oder lärmende Kinder am Nachmittag und musizierende Nachbarn am frühen Abend sind okay, laut feiernde Nachbarn nach Mitternacht nicht.
Natürlich können Sie die Polizei rufen, wenn Sie sich während der Ruhezeit oder Nachtruhe durch Lärm gestört fühlen. Lassen Sie die Situation aber nicht eskalieren, schliesslich sind Sie Stockwerkeigentümerin oder -eigentümer und bilden mit Ihren lauten Nachbarn jahre- oder sogar jahrzehntelang eine Zweckgemeinschaft. Reden Sie zuerst mit den störenden Nachbarn und informieren Sie die anderen Miteigentümer erst, wenn das Gespräch nichts gebracht hat. Danach kann die Stockwerkeigentümergemeinschaft versuchen, den Konflikt zu lösen und einen Kompromiss zu finden. Allenfalls ist ein Mediator hilfreich.
Tipp: Stockwerkeigentümergemeinschaften brauchen keine Hausordnung, die nachbarschaftsrechtliche Fragen wie Lärm klärt, und kein Reglement. Sinnvoll sind aber beide. Vielleicht ist der Streit der Auslöser, um die Dokumente aufzusetzen oder so anzupassen, dass solche Konflikte gar nicht mehr entstehen.
Falls die störenden Nachbarn trotz Intervention der Stockwerkeigentümergemeinschaft oder -versammlung ihr Verhalten nicht ändern und Ihnen die Sache wirklich wichtig ist, gehen Sie vor Gericht. Allein oder mit den anderen Miteigentümern. Sie können eine Beseitigungsklage gegen die Überschreitung oder eine Unterlassungsklage gegen zukünftige Überschreitungen des Eigentumsrechts einreichen und allenfalls auf Schadenersatz für finanzielle Beeinträchtigungen klagen. Ob sich das lohnt, sollten Sie sich allerdings gut überlegen. Stockwerkeigentümergemeinschaften sind langfristige Zweckgemeinschaften. Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis ist für Wohneigentümer darum noch wichtiger als für Mieter.
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