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Architektur-Reportagen Umbauten

Architektur-Reportage: Energie produzierendes Dach trotz Denkmalschutz

Im Kirchenfeldquartier in Bern hat ein Bauherrenpaar bewiesen, dass sich Energieeffizienz gut mit Auflagen des Denkmalschutzes vereinbaren lässt: Nach der energetischen Sanierung benötigt ihr Einfamilienhaus 10x weniger Fremdenergie.

(mei) Das Einfamilienhaus der Familie Hutterli wurde 1898 im Berner Kirchenfeldquartier im Neobarockstil erbaut. Das denkmalgeschützte, dreigeschossige Gebäude befindet sich seit über einem halben Jahrhundert im Familienbesitz, mittlerweile leben Hutterlis dort in der dritten und vierten Generation. 
Architektur-Reportage Bern Denkmalschutz: renovierte Küche in rot und Gelb
Die Küche – wie auch das Bad – wurden 2015 renoviert.

Renovation in Etappen

Der Unterhalt war lange vernachlässigt worden, sagt Bauherr Manuel Hutterli: «Im Sommer wurde die Dachhaut bis zu 70 °C heiss. Deshalb stiegen die Temperaturen im bewohnten Dachgeschoss auf über 35 °C.» Als sich abzeichnete, dass die Gasheizung ersetzt werden musste, entschied sich das Bauherrenpaar zu einer energetischen Gesamtsanierung. Um Kosten zu sparen, etappierten die Bauherren die Arbeiten, auch wenn dies wegen des länger währenden Baustellencharakters einige Unannehmlichkeiten für die Familie bedeutete.

Architektur-Reportage Bern Denkmalschutz: Wohn-und Essbereich mit Kaminofen
Im Wohn-Ess-Bereich befindet sich ein Kaminofen, der für behagliche Wärme sorgt.

Viele Eigenleistungen  

Das Budget schonten auch die zahlreichen Eigenleistungen. Da beide Bauherren von Beruf Physiker sind und sich in technischen Belangen gut auskennen, konnten sie viele Aufgaben selbst übernehmen. Beispielsweise gehen die Konzeption, die von 2008 bis 2011 dauerte, sowie die Programmierung der Steuerung der Komponenten auf ihr Konto. Bei der Planung wurden sie von Markus Dürig von der Hans Dürig AG aus Riggisberg unterstützt. Für die Bauleitung zuständig waren Wermuth und Partner Architekten. 

Architektur-Reportage Bern Denkmalschutz: den Fenstern sieht man nicht an, dass sie sehr modern sind
Die Fenster haben ihr originales Aussehen beibehalten, weisen nun aber zeitgemässe Energieeigenschaften auf.

Zellulose, Isofloc H2Wall und Krypton

Dach, Dachgeschoss, Kellerdecke sowie alle Zimmerdecken des Einfamilienhauses wurden mit Zellulose gedämmt. Im Zweischalenmauerwerk des Gebäudes setzten die Bauherren das Granulat Isofloc H2Wall ein, das neu Pearl heisst. «Dieses Dämmmaterial gilt für Aussenwände von Objekten im kantonalen Bauinventar als State of the Art. Zudem ist es sehr kostengünstig, weil es eingeblasen werden kann», sagt Manuel Hutterli. Die Fensterscheiben wurden durch Isolierglas ersetzt, während die historischen Originalfensterrahmen beibehalten bzw. nachgebaut wurden. Gedämmt wurden die Fenster mit dem Gas Krypton. 

Architektur-Reportage Bern Denkmalschutz: Solaranlage im Farbton der Dachziegeln
Auf dem Steildach wurden 13 Quadratmeter Schieferkollektoren installiert.

Unsichtbare Solaranlage

Auf dem steileren, unteren Teil des Süddaches haben die Bauherren eine von ihnen selbst konzipierte Solaranlage aus Naturschieferkollektoren anbringen lassen. Sie besteht aus Kollektorlamellen, die von Innovar produziert wurden, aus Verbindungsleitungen, die von Bill und Künzi hergestellt und montiert wurden, sowie aus einer Eindeckung mit Naturschieferplatten, für die Kehrli Bedachungen zuständig war. Die Solaranlage ist optisch nicht von der Naturschieferabdeckung auf den drei anderen Seiten unterscheidbar und entspricht damit den denkmalpflegerischen Anforderungen. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima, das in die Zeit der Sanierung fiel, erlaubte die Denkmalpflege auch eine Anlage auf dem flacheren, oberen Teil des Dachs. Deshalb liessen die Bauherren dort eine hybride Photovoltaikanlage installieren. Sie erzeugt Strom und unterstützt Heizung und Warmwasseraufbereitung.

Nachhaltige Wärmepumpe

Zum Heiz-und Warmwassersystem gehören weiter eine Wärmepumpe mit Erdsonden, ein Jenni-Solarspeichertank mit einem Volumen von 2840 Liter, ein wasserführender Kaminofen sowie eine Wandheizung im Erdgeschoss. Die Wärmepumpe entnimmt dem Boden im Winter Wärme, in den anderen Monaten wird die Wärme mit dem Überschuss der Sonnenkollektoren dem Boden wieder zugeführt. «Nachhaltig ist nur ein System, das den Boden auf Dauer nicht abkühlt», sagt Manuel Hutterli. Mit der Wandheizung ist der Bauherr so zufrieden, dass er sie bei der nächsten Renovationsetappe auch im ersten Stock einführen will: «Die temperierten Wände erzeugen ein sehr angenehmes Wohngefühl.» Auch die Fenster haben den Wohnkomfort erhöht, da keine Zugluft mehr entsteht. Für die Lüftung sorgt eine Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung.

Auszeichnung mit einem Solarpreis

Mit der energetischen Sanierung ist Manuel Hutterli rundum zufrieden. Die Fremdenergiezufuhr für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Steuerung (d.h. ohne Haushaltsstrom) konnte um Faktor 10 verringert werden, die CO2-Emissionen gar um Faktor 14. Der Stromzukauf reduzierte sich trotz des Wechsels von der Gasheizung zu einer Wärmepumpe um Faktor 2,2. Für ihr Engagement zur Verbesserung der Energiebilanz ihres Gebäudes erhielten die Bauherren 2014 einen Schweizer Solarpreis. 

  • Artikel von:
  • hausinfo
  • Bildmaterial:
  • hausinfo und Manuel Hutterli