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Im bernischen Heiligenschwendi haben sich Ruth Krähenbühl-Gerber, die an einer Chemikalien-Unverträglichkeit leidet, und ihr Ehemann Anton Krähenbühl nach strengsten baubiologischen Kriterien ein Haus bauen lassen. Ein Augenschein fünf Jahre danach.
(mei) Überraschend gesund sieht sie aus, die Bauherrin Ruth Krähenbühl-Gerber. Sie fühle sich auch so gut wie schon lange nicht mehr, meint sie im Gespräch. Und verrät, dass sie sogar einem Hobby nachgehen könne: Sie betreibt Schiesssport.
Geprüft wurden nicht nur Stoffe, mit denen die Bauherrin später in direktem Kontakt stehen würde, sondern auch Isolationsmaterialien wie Steinwolle, Kork oder Holzfaserplatten, aber auch Hölzer. Dabei stellte sich heraus, dass Eiche wegen ihrer Gerbsäure nicht in Frage kommt. Lärchenholz wiederum enthält Harz, kam aber im Aussenbereich, wo es mit der Zeit ausdünstet, trotzdem zum Einsatz. Und Fichtenholz eignete sich gar für den Innenausbau. Um die 800 Materialien wurden insgesamt von Krähenbühl-Gerber ausprobiert, oft unter grossem Leidensdruck.
Für gesunde Menschen scheint die Notwendigkeit eines solchen Prozederes kaum vorstellbar – es sei denn, man hat die Reaktion eines sensiblen Menschen selbst schon erlebt. «Ich beobachtete einmal, wie jemand am ganzen Arm urplötzlich einen Ausschlag bekam, als er Isolationsmaterial anfasste. Bei den meisten anderen Menschen hätte dies nicht viel mehr als ein Kratzen ausgelöst», sagt Reusser.
Nachdem die Materialien einmal ausgesucht waren, konnte mit dem Bau begonnen werden. Hier zeigten sich bald die nächsten Schwierigkeiten: Reusser musste die Handwerker nicht nur für die Arbeiten vor Ort genau instruieren, etwa bezüglich des Rauchverbots auf dem ganzen Gelände, sondern auch punkto der zu verwendenden Materialien, damit sie auf herkömmliche Klebstoffe und Zusätze verzichteten. «Der Teufel steckt bekanntlich im Detail», erinnert er sich. Beispielsweise durfte beim Baugrubenaushub die Vertiefung nicht mit einem Spray angezeigt werden, und für die Isolation bei den Kaltwasserleitungen musste statt der üblichen PU-Schalen Schafwolle verwendet werden. Und am Boden durften die keramischen Platten nicht mit Kittfugen verlegt werden, auch wenn dies unschöne Abschlüsse zur Folge hatte. Aufwendungen dieser Art führten zu ca. 20 % Mehrkosten gegenüber einem konventionellen Bau.
Um ganz sicherzugehen, dass die Bauherrin die ausgesuchten Stoffe verkraftet, wurden auf jeder Etage des dreigeschossigen Gebäudes andere Materialien eingesetzt. Auf diese Weise hätte Ruth Krähenbühl-Gerber die Möglichkeit gehabt, bei Bedarf von einem Stock in einen anderen zu wechseln. Für das Sockelgeschoss wurde beispielsweise Ytong-Porenbetonstein verwendet, im mittleren Geschoss Backstein und im Obergeschoss Fichtenholz. Im Erdreich kam auch Beton zum Einsatz, wobei auch hier einige chemische Zusatzstoffe, z.B. Abbindeverzögerer, der das schnelle Hartwerden des Betons verhindert, ausgeschlossen wurden.
Nach der Fertigstellung des Baus zögerte die Bauherrin mit dem Einzug. Insbesondere die Nächte verbrachte sie noch lange in einem alten und entsprechend gut ausgelüfteten Wohnwagen. Erst mit fortschreitender Ausdünstung der Materialien des Hauses und Tricks wie dem Einsprühen des Holzes mit EM1, einer in Japan erfundenen Flüssigkeit mit effektiven Mikroorganismen, konnte sie ihr Haus nach und nach in Beschlag nehmen. Bis zum dauerhaften Einzug sollten jedoch fast zwei Jahre verstreichen. Auch die Möbel suchte die Bauherrin sehr sorgfältig aus, denn diese müssen ebenfalls gut ausgelüftet sein. So erstaunt es nicht, dass im Wohnbereich auch einige Gartenmöbel Einzug gehalten haben. Die Massivholzküchen hingegen sind weitgehend Eigenleistungen von Anton Krähenbühl, der von Beruf Möbelschreiner ist. Auch die Bauherrin konnte bei der Erstellung des Hauses von ihrem Beruf profitieren: Als Keramikmalerin kreierte sie beispielsweise die Farbnuancen der Lehmputzwände.
Heute vermietet Krähenbühl-Gerber die unproblematischste Etage, das Sockelgeschoss, das wie alle Stockwerke als in sich geschlossene Wohnung verwendet werden kann, an Leidensgenossen. In der kleinen MCS-Szene ist Krähenbühl-Gerbers Haus mittlerweile so bekannt, dass die Patienten auch aus umliegenden Ländern anreisen, um in Heiligenschwendi etwas Ruhe zu finden.
Und dennoch ist nicht alles gut, was lange währt: Die steigende Belastung durch Stromleitungen, Elektrozäune und Strahlungen durch Handyantennen stellt aller Vorsichtsmassnahmen zum Trotz ein zunehmendes Problem für die Bauherrin und viele ihrer Feriengäste dar, dem sie bislang trotz aufwändigen, fachgerechten Abschirmungen nur bedingt Einhalt gebieten konnte.
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